«Meine Sprache der Kunst»
Fragen des Lebens aufzeigen und in den Raum der Kommunikation stellen – dies ist Künstler Martin Walch ein Herzensanliegen. Sein Leben ist geprägt von dieser Thematik und als neuer Direktor der Kunstschule Liechtenstein blickt er in diesem Zusammenhang auch auf seine privaten Wertvorstellungen.
Kalt, grau und leicht metallisch schimmernd – die tiefschwarze Oberfläche des Werkes «Please, do not touch» zieht den Betrachter in seinen Bann. Was diese Anziehungskraft des Materials auszurichten vermag, hätte sich Künstler Martin Walch vor der Ausstellung nicht träumen lassen. Auf Transparentpapier trug er sorgfältig Schichten von Buntstiften übereinander auf und übermalte sie mit Grafit, da er zunächst mit seinem Werk nicht zufrieden war. Mit seiner Schaffensweise löste der Künstler jedoch eine Art chemische Reaktion aus: Die Grafitschicht wurde teilweise matt und veränderte ihr Aussehen. Das Bild nahm allmählich die Farbe einer verschmierten Wandtafel an und faszinierte Martin Walch umso mehr. «Die berührungsempfindlichen, sensiblen Partien des Bildes stellte ich mit einem Metallrahmen in Kontrast und fertigte eine ganze Serie solcher Werke an», führte er aus. An der Ausstellung schien es, als ob die Oberflächen – welche einem beschlagenen Fenster ähneln, in das man hineinzeichnen möchte – den schelmischen Zug in den Betrachtern freilegten.
Impulshaft berührten immer mehr Menschen die schwarzgrauen, matten Tafeln und fingen an, hemmungslos und unbedacht einfache Krakeleien im Werk zu verewigen. Dieser Moment wurde für den Künstler Martin Walch zu einem Schlüsselerlebnis. «Der Betrachter nimmt unbewusst Teil am gestalterischen Prozess und an der Ausformulierung des Produkts. Durch die Reaktion des Betrachters werden meine Botschaft und schliesslich meine persönlichen Grenzen erweitert», erklärt Martin Walch sein Kunstverständnis.
Die Aufgabe der Kunst
Er sei kein Weltverbesserer – dennoch sehe er das künstlerische Werk als ein Instrumentarium, das zwischen ihm als Künstler und dem Betrachter eine Aufgabe übernehme. Dabei gehe es stets um den Austausch – um die Kommunikation im weitesten Sinne. Wie zentral diese ist, wird ersichtlich, wenn man die Werke von Martin Walch sowie die Prozessdokumentationen betrachtet.
Sichere Ausdrucksmittel
Die künstlerischen Arbeiten von Martin Walch weisen einen stets kommunikativen Aspekt auf, welcher sich auf das unmittelbare Umfeld bezieht. So seien es Reaktionen auf Reisen, die Schule oder ökologische sowie gesellschaftspolitische Themen und Fragen. Es sind unterschiedliche Einflüsse, die Martin Walch vielfach raumbezogen visualisiert und so in die Öffentlichkeit trägt, um auf die Thematik aufmerksam zu machen. «Ich suche nicht nach Antworten. Ich möchte Fragen des Alltags – Fragen und Themen, die mich beschäftigen – in eine Sprache übersetzen», beschreibt Martin Walch sein Ausdrucksmittel, die Kunst. In seiner Sprache bedient sich der erfahrene Künstler nicht nur eines Materials, sondern unterschiedlicher Ausdrucksmittel – von Wachs über Naturmaterialien und Alltagsgegenständen bis hin zu Foto- oder Filmkameras. «Die Affinität zum Material sowie die jeweilige räumliche Situation inspirieren mich», führt er weiter aus. So seien es oft einfache Materialien, mit denen er sich einen sicheren Umgang zutraut und welche er am liebsten verwendet. Der sichere Umgang mit dem Material sei seinerseits eine wichtige Voraussetzung, um zielstrebig etwas mit dem Werk aussagen zu können, und andererseits habe dann das künstlerische Schaffen einen meditativen Aspekt. So thematisierte Martin Walch während seiner Studienzeit in Wien den Umzug in die Grossstadt mithilfe von Fichtennadeln, welche er in jedem Stadtbezirk sammelte und bündelte.
«Ich musste mich nicht entscheiden – ich war reif»
Mithilfe dieser Arbeit setzte sich Martin Walch mit seiner neuen Wahlheimat Wien auseinander und hatte so zugleich die Möglichkeit, weiterhin Naturelemente in seiner Kunst einzubauen. Immer schon hatte Martin Walch einen Hang zum Praktischen. Die Auseinandersetzung mit Lehm und Ton sowie das Zeichnen und Malen begleiteten ihn von Kindesbeinen an. Der gelernte Primarschullehrer wagte jedoch erst im Alter von 28 Jahren den Schritt nach Wien und begann so einen lange gehegten Traum zu leben: ein Kunststudium. An der Hochschule für Angewandte Kunst studierte der Plankner Visuelle Kommunikation, Malerei und Grafik, bevor er als freischaffender Künstler tätig war. «Ich brauchte lange für die Entwicklung, bis ich meinen Entschluss fasste. Es war ein Reifungsprozess, bis ich wusste: Jetzt passt es.» Rückblickend kann Martin Walch sagen, dass es «absolut die richtige Entscheidung – mit allen Zweifeln, Hochs und Tiefs – war». Viel Positives, viel Unterstützung, aber ebenso gelegentliche Ernüchterungen, Enttäuschungen oder Misserfolge waren es, die den Lebensweg von Martin Walch prägten. Durch Auslandstipendien konnte er Projekte in Russland, Japan und New York umsetzen.
Diverse Preise für themenbezogene künstlerische Wettbewerbsbeiträge sowie Kunst im öffentlichen Raum und Kunst am Bau durfte Martin Walch ebenfalls in Empfang nehmen. Während seines Stipendienjahres in New York beschäftigte sich Walch vor allem mit dem grossstädtischen Umfeld sowie den Behausungen der Menschen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen. Pappkartons, die Obdachlosen als dürftige Behausung dienen und ihnen Schutz und Wärme spenden, nahm er als Ausgangsmaterial für sein dort entstandenes Werk. So fügte er die Kartons zu architektonischen Gebilden zusammen und stellte sie an unterschiedlichen Orten der repräsentativen, mächtigen Architektur der Stadt gegenüber. Einfühlsam, experimentierfreudig, aber auch spielerisch zeigte sich Martin Walch im Umgang mit dem Material, in das er Formen und Muster einschnitt. Ornamente und Muster prägten auch seinen mehrmonatigen Aufenthalt in Russland und widerspiegelten sich in seinen «Traumfängern», welche er aus den Fensterverriegelungen russischer Häuser ableitete. Hier thematisierte er erneut den scheinbaren Wiederspruch von Ab- oder Ausgrenzung, von Distanz im Sinne von Schutz und Sicherheit und dem Zulassen von Nähe.
In der Region verankern
Aus Dankbarkeit für seine Heimat sowie durch die Familiengründung mit seiner in Wien gefundenen Liebe wollte Martin Walch dem Land Liechtenstein etwas zurückgeben. Seiner Meinung nach ist das Leben ein Geben und Nehmen und so erschien es ihm wichtig, seinen gewonnenen Erfahrungsschatz mit den jungen, kreativen Köpfen des Landes zu teilen, also das Erfahrene und Gelernte an junge Menschen weiterzugeben. Als Fachlehrer für Gestaltung und Kunst am Liechtensteinischen Gymnasium sowie als Dozent an der Kunstschule Wetzikon sowie an der Liechtensteinischen Kunstschule gelang es ihm, seit 2003 wieder in Liechtenstein wohnhaft, ein geregeltes Leben mit seinen Wertvorstellungen sowie seinem künstlerischen Dasein zu kombinieren. Als Zufluchtsort, um die aktuellen Themen zu verarbeiten, dient Martin Walch seit Studienzeiten ein Atelier. In Mauren fand er 2013 den idealen Ort für die Ausübung seiner künstlerischen Arbeit. «Es ist ein feiner Ort, wo ich meinem freien gestalterischen Schaffen nachgehen, mich zurückziehen und meinen Neigungen Platz geben kann. Hier kann ich meine Interessen verfolgen und meinen Berufsalltag reflektieren», führt Martin Walch die Bedeutsamkeit des Ateliers aus. So sei er zwar nicht regelmässig hier und gleiche keinem Arbeiter, sondern nutze den Ort, um seine Batterien zu regenerieren und nach Lust und Laune seinem Kunstschaffen zu frönen.
Zu diesem Atelier kam er durch die in Mauren wohnhafte Künstlerin Sunhild Wollwage, die ihn seit vielen Jahren als Mentorin und Kollegin begleitet. Für Martin Walch ist der Austausch mit anderen Künstlern zentral. So gründete er gemeinsam mit einem Kollegen aus Liechtenstein einst den Berufsverband Bildender Künstler. Immer wieder ist Martin Walch Teil künstlerischer Gruppierungen, um neue Projekte umzusetzen und sich weiterzuentwickeln. Mit seinem Kollegen Werner Casty nimmt er nach den Sommerferien ein neues Projekt in Angriff: die Leitung der Liechtensteinischen Kunstschule. Besonders am Herzen liegt Walch dabei neben der Einführung einer Tagesklasse auch der Austausch mit anderen Kunstschaffenden. «Wir wollen die Ausgangslage nutzen, um die Kunstschule weiterhin stärker in der Region zu verankern», beschreibt der zukünftige Kunstschuldirektor sein Anliegen. So sei eine aktive Vernetzung mit Kunstschaffenden aller Sparten und anderen Institutionen erwünscht. «Die Kunstschule soll eine Plattform, ein Labor sowie ein Ort des spartenübergreifenden Experimentierens und Gestaltens ohne Hemmschwelle sein. Sie ist mehr als ein Vermittlungsort von Gestaltungskursen für Kinder, Jugendliche oder Erwachsene. Gemeinsam wollen wir uns an dieser Schule auch konstruktiv mit den Fragen und Problemen unserer Zeit auseinandersetzen.»