Ja gewiss, ich hätte lieber ein volles Fass zur künstlerischen Bearbeitung erhalten. Bestimmt hätte sein Inhalt meine geistigen Höhenflüge massgeblich gesteigert.
Im Atelier auf seine Bearbeitung wartend, verlor das leere Fass zudem noch kontinuierlich an seiner formalen Klarheit. Bald zeigten sich zwischen den Fassdauben kleine Spalten – das harte Eichenholz verlor an Feuchtigkeit, der zu erwartende Materialschwund (eines leeren Holzfasses) raubte dem Gefäss nicht nur seine formale Spannung, sondern zudem auch seine ursprüngliche Funktionstüchtigkeit.
Etwas ratlos stand ich vor dem nutzlos gewordenen Ding: Wie konnte ein überflüssig gewordener Gegenstand künstlerisch aufbereitet, (wert-)optimiert, zu einer qualitativ, aussagekräfigen und zeitgemässen Plastik umgeformt werden?
Schliesslich wurde eben diese Leere zum intentionierten Motiv. Ein Fass stellt ein Behältnis dar, ist ein Gefäss, also Archetyp einer Skulptur; ein dreidimensionaler Gegenstand, eine Art Rohmaterial der Plastik. Ich denke an Lebensmittel-Amphoren zahlreicher vergangener Kulturen, an antike griechische Vasen, etc., die kunstvoll gestaltet bis in die heutige Zeit wertvolle Hinweise zu Leben und Kultur vergangener Völker liefern.
Im bildnerischen Schaffen stellt das Gegenstück zur (dreidimensionalen) Plastik die (zweidimensionale) Grafik dar, das Arbeiten auf der Fläche, bspw. auf Leinwand, Papier oder anderen flächigen Materialien. Papier wird aus Holz gefertigt, dasselbe Material, das ebenso für skulpturale Zwecke seine Dienste leistet. So entschied ich mich, die zwei sich kontrastierenden, jedoch nahe verwandten Rohmaterialien: Eichenholz und Zeichenpapier zusammenzuführen und daraus einen Gegenstand zu schaffen, der die grafische sowie die skulpturale Weiterbearbeitung erlaubt. Naheliegend war, dem funktionslos gewordenen Fass die A3-formatigen Leerpapiere zwischen seine Dauben zu stellen. Dadurch sollte einerseits die angesprochene, verlorene Spannung und Kompaktheit wiederhergestellt werden, andererseits wollte dem Objekt, wie erwähnt, zusätzlich zur bildhauerischen auch die grafische Nutzung zuteil werden. Das entstandene, windmühlenartig skurrile Objekt vereint somit Plastik und Grafik und hofft nun auf seine kreative Nutzung: seine Leere in Fülle zu verwandeln.
mw / 07.2014